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Kurzverzeichnis der 35 in dieser Ausgabe enthaltenen Schriften:

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Fünfzehntes Bild.

DSE, 113-118

Dasselbe Zimmer wie im vorigen Bild. Es sitzt da wartend die Pflegerin des Doktor Strader. Nachdem der Vorhang aufgegangen ist, tritt der Sekretär in das Zimmer.

Sekretär:

Es wird wohl Benedictus bald erscheinen,

um eure Botschaft selbst Euch abzunehmen. ‒

Er war verreist, soeben kam er an.

Er war ein großer Mann, der Doktor Strader.

Ich hatte anfangs keinen rechten Glauben

an Gottgetreus gewalt’gen Arbeitsplan;

doch da ich oft zugegen war, wenn Strader

ihm zeigte, was dem Werke nötig ist,

Verlor mir jeder Einwand schnell an Kraft.

Stets geistvoll und mit stärkstem Sinn für alles,

was möglich und auch zielessicher ist.

Dabei bestrebt, das letzte Ziel doch stets

sich aus der Sache sinngemäß zu holen;

nichts schon gedankenhaft vorauszusetzen.

Der Mann verhielt sich ganz nach Mystenart.

Wie Menschen, welche eines Fernblicks Schönheit

von eines Berges Gipfel schauen wollen,

Die warten, bis sie oben angelangt,

und sich nicht vorher schon ein Bild ersinnen.

Die Pflegerin:    

Ihr habt im Strom des Lebens einen Mann

von großen Gaben und von starkem Geiste

erkannt; ich habe in der kurzen Zeit,

in der ich ihm die letzten Erdendienste   |114

erweisen durfte, seine hohe Seele

bewundern können. Diese liebe Seele,

die ausser sieben Jahren seltnen Glücks

stets einsam durch das Erdenleben ging.

Die Mysten boten ihm die Weisheit. Er

bedurft’ der Liebe ‒; seine Lust nach Taten,

sie war doch Liebe, ‒ die sich viele Formen

im Leben schafft, um sich zu offenbaren.

Was diese Seele mystisch suchte, war

dem edlen Feuer ihres Wesens nötig,

wie Schlafesruh’ dem Leib nach Schaffenszeiten.

Der Sekretär:     

Ihm war die Mystenweisheit auch der Quell

des Schaffens; ‒ alles war bei ihm von ihr

im schönsten Sinne doch stets ganz erfüllt.

Die Pflegerin:    

Weil er naturgemäß stets lieben mußte,

und mit der Seele allem sich vereinen,

was ihm zum Lebensinhalt werden wollte.

Sein letztes Denken galt dem Werke noch,

dem er in Liebe sich gewidmet hatte. ‒ ‒

Wie Menschen sich von Wesen trennen, die

sie lieben, so verließ die Seele Straders

das Erdenwerk, dem ihre Liebe galt.

Der Sekretär:     

Er lebte doch im Geiste wesenhaft,

und Theodora stand wie lebend stets

vor ihm ‒; so fühlen wahre Mystenseelen.

Die Pflegerin:    

Weil sie die Einsamkeit mit ihm verband.

Sie stand im Tode noch vor ihm. ‒ Von ihr

zu seines Werks Vollendung abberufen

nach Geisteswelten, so erschien er sich.

Für Benedictus schrieb er wenig Stunden,   |115

bevor er starb, die Worte, die ich jetzt

dem Mystenführer überbringen will.

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

So muß das Leben unsrer Erdenzeit

sich weiterführen, rätselvoll; ‒ erhellt

jedoch durch Sonnenmenschen seiner Art,

von welchen andre nach Planetenweise

das Licht empfangen, welches Leben weckt.

(Benedictus betritt das Zimmer; der Sekretär geht aus demselben.)

Die Pflegerin:    

Es schrieb die wenig’ Zeilen Strader noch,

bevor die Kräfte ihm gering geworden.

Ich überbringe sie dem Mystenfreunde.

Benedictus:

Und als er diese Worte hingeschrieben,

wo weilte seine Seele noch zuletzt?

Die Pflegerin:    

Erst lebte noch der letzte Lebensplan

in seinem Denken; dann war Theodora

im Geist mit ihm vereint; erfühlend dies,

entrang sich seine Seele sanft der Hülle.

Benedictus:

Hab’ Dank, du treues Wesen, für den Dienst,

den du ihm hast auf Erden noch geleistet.

(Die Pflegerin geht ab. Benedictus liest die letzten Worte Straders):

»Mein Freund, da ich zerschmettert fast mich sah,

erkennend, daß der Widerstand nicht nur

von außen meinem Schaffen sich erzeugt’,

daß innre Mängel sich im Grundgedanken

der Arbeit hemmend in den Weg gestellt,

da schaut’ ich wieder jenes Bild, von dem

ich Euch vor kurzem sprach.

 

                                      Doch anders war

des Bildes Ende dann.

 

                                         Nicht Ahriman

erstand als Kämpfer mir; ein Geistesbote

erschien an seiner Stelle, dess’ Gestalt   |116

sich als mein eignes irrtumvolles Denken

mir deutlich fühlbar gab.

 

                                          Da mußt’ ich mich

erinnern jener Worte, die Ihr spracht

von Stärkung meiner Seelenkräftemacht.

Doch dann verschwand sogleich der Geistesbote. ‒«

Noch wenig Worte folgen, ‒ sie zu lesen

vermag ich nicht ‒ ein Chaos deckt sie mir,

Gedankenschleier wirksam webend, zu.

(Ahriman erscheint; Benedictus erblickt ihn):

Wer bist du, der du dich aus meinem Chaos

im Seelenkreise schattenhaft belebst?

Ahriman (für sich):

Er schaut mich wohl, doch kennt er mich jetzt nicht.

So bringt er mir noch nicht den Schreckensschmerz,

wenn ich an seiner Seite wirken will.

(Zu Benedictus):

Ich kann dir weiter künden, was dir Strader

vertrauen will zu deinem eignen Heil,

und auch für deiner Schüler Mystenweg.

Benedictus:

Verbunden wird sich stets mein Mystenkreis

der Seele Straders wissen, wenn auch ferner

das Sinnensein die Brücke nicht mehr bildet.

Doch will ein Geistesbote sich uns nahn,

der sich aus seinen Welten offenbart,

so muß er erst Vertrauen sich erwerben. ‒ ‒

Er kann es nur, wenn er sich voll erkennbar

in unsrer Geistesschau bezeugen will.

Ahriman: 

Ihr strebt doch nur die Selbsterkenntnis an;

dann müsste fremdes Geistessein, das Euch

sich dienstbar will erweisen, eurem Selbst

als Teil sich erst ergeben, sollt’ es nur

erkennbar Euch zur Seite stehen dürfen.   |117

Benedictus:

Wer du auch sei’st, dem Guten dienst du nur,

wenn du in dir nicht selber streben willst,

wenn du im Menschendenken dich verlierst,

und so im Weltenwerden neu erstehst.

Ahriman:

Es ist jetzt Zeit, daß ich aus seinem Kreise

mich schnellstens wende; denn sobald sein Schauen

mich auch in meiner Wahrheit denken kann,

erschafft sich mir in seinem Denken bald

ein Teil der Kraft, die langsam mich vernichtet.

(Ahriman verschwindet.)

Benedictus:

Jetzt erst erkenn’ ich Ahriman, der selbst

von hier entflieht, doch seines Wesens Kunde

gedankenhaft in meinem Selbst erschafft.

Er strebt das Menschendenken zu verwirren,

weil er in ihm die Quellen seiner Leiden

durch einen altvererbten Irrtum sucht.

Er weiß noch nicht, daß ihm Erlösung nur

in Zukunft werden kann, wenn er sein Wesen

im Spiegel dieses Denkens wiederfindet.

So zeigt er sich den Menschen wohl; doch nicht

wie er in Wahrheit wesenhaft sich fühlt.

Sich offenbarend, doch sich auch verbergend,

versuchte er des Augenblickes Gunst

bei Strader jetzt in seiner Art zu nutzen.

Er wollt’ in ihm auch dessen Freunde treffen;

doch wird er Schülern meines Mystenwerkes

sein Wesen künftig nicht verhüllen können. ‒

Sie sollen ihn in Wachsamkeit auch denken,

wenn er in ihrem Schauen walten wird. ‒ ‒

Sie sollen seine vielen Formen deuten,

die ihn verbergen wollen, wenn er sich

den Menschenseelen offenbaren muß.

Du aber, Straders sonnenreife Seele,   |118

die du durch Stärkung deiner Geisteskräfte

den Irrtumsboten zum Verschwinden zwangst,

du wirst als Geistesstern den Freunden leuchten,

du wirst Marias und Johannes’ Sein

mit deinem Licht in Zukunft stets durchdringen;

so werden sie durch dich noch stärker sich

zu ihrem Geisteswerke rüsten können,

und sich als Seelenlichtes Offenbarer

gedankenkräftig auch noch dann bezeugen,

wenn über vollerwachtes Geistesschauen

der finstre Ahriman, die Weisheit dämpfend,

des Chaos Dunkelheit verbreiten will.

(Vorhang fällt.)

Der Seelen

Erwachen

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